EINEN ANGSTFREIEN ARBEITSPLATZ SCHAFFEN
Ein wütender Chef, der einen seiner Mitarbeiter mit vor Wut verzerrten Gesichtszügen für einen von ihm begangenen Fehler bei der Arbeit bestraft – dieses Klischeebild gehört zum Glück in den meisten Unternehmen längst der Vergangenheit an. Denn eines ist heutzutage klar: Angst am Arbeitsplatz ist der Produktivität der Mitarbeiter absolut nicht förderlich. Wirklich angstfrei sind viele Arbeitsplätze dennoch auch heute noch nicht.
Dabei ist eine Atmosphäre psychologischer Sicherheit gerade dort wichtig, wo es darum geht, durch Lernen und Zusammenarbeit den Erfolg eines Projektes voranzubringen. Der Gedanke, dass Mitarbeiter härter arbeiten, um unangenehme Konsequenzen zu verhindern, ist schlichtweg falsch. Angst lähmt uns und hindert uns daran, produktiv zu sein. Dass dieser Gedanke keineswegs eine Errungenschaft jüngerer Generationen ist, zeigt ein Zitat aus dem Jahr 1756:
“Kein Gefühl raubt dem Geist in solch einem Ausmaß die Fähigkeit, zu handeln und klar zu denken, wie die Angst.“
Edmund Burke
Und auch in der Neurowissenschaft wurde längst belegt, dass bestimmte Areale im Gehirn nicht mehr arbeiten, wenn andere, also solche, die durch ein Gefühl von Angst oder Unsicherheit ausgelöst wurden, aktiv sind. Schon Iwan Pawlow, der für sein Hundeexperiment im Zuge der klassischen Konditionierung berühmt ist, stellte bei seinen Versuchen Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts fest, dass Hunde, die zuvor eine angstvolle Erfahrung gemacht hatten, nicht mehr in der Lage waren im gleichen Maße Neues zu erlernen wie solche, bei denen dies nicht der Fall war.
Gerade für die Zusammenarbeit von Teams ist Angst die größte Störvariable
Es ist also für Unternehmen ein wünschenswerter Zustand, ein Umfeld zu schaffen, in dem die Mitarbeitenden ihr Arbeitsumfeld als sicheren Raum wahrnehmen. Gegenseitiges Vertrauen und Respekt zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden sind dafür die entscheidenden Komponenten, denn sie führen dazu, dass eine offene Kommunikation stattfinden kann. Denn Kommunikation ist ein entscheidender Schlüssel dafür, Projekte zu fördern. Lernprozesse und innovatives Denken kann nur dann stattfinden, wenn keinerlei Bedenken bestehen, Rückfragen zu stellen, neue Ideen vorzustellen oder Bedenken bezüglich gewisser Strukturen oder Prozesse zu äußern. Vor allem bei Problemlösungsprozessen ist Angst nicht nur hinderlich, sondern kann Türen geschlossen halten, die ansonsten den Weg zu neuen Lösungen und potentiellen Veränderungen öffnen würden.
Mitarbeiter sind die wertvollsten Ressourcen eines Unternehmens – und Ressourcen sind wertschätzend zu behandeln.
Um eine solche Arbeitsatmosphäre zu schaffen, benötigt er natürlich zunächst einiger Veränderungen der bereits bestehenden Prozesse. Harvard Professorin Amy C. Edmondson hat dies in „Die angstfreie Organisation“ anhand eines Methodenkoffers beschrieben, den Führungskräfte sich zunutze machen sollten. Sie beschreibt den Wandel zum angstfreien Unternehmen anhand von drei Phasen: Voraussetzungen schaffen, Mitwirkung einladen und produktiv reagieren. In der ersten Phase geht es vordergründig darum, Vertrauen aufzubauen und den Mitarbeitenden deutlich zu machen, dass sie gehört werden. Dass die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter in wechselseitiger Abhängigkeit steht, und nicht in einseitiger.
Bei der Einladung zur Teilnahme wird begonnen, Schwächen zuzugeben und aktiv zuzuhören. Außerdem werden nun konkrete Prozesse und Rahmenbedingungen geschaffen, wie Richtlinien für Diskussionen und Foren, um Input zu generieren. In der dritten Phase geht es um Wertschätzung. Die neu erlernten Verhaltensweisen sollen weiter vertieft werden, mithilfe von produktiven Reaktionen in Form von Anerkennung und Dank.
Diese Vorgänge in seinem Unternehmen zu etablieren und damit alteingesessene Muster zu durchbrechen, mag auf den ersten Blick nicht einfach erscheinen, jedoch ist der Gewinn nicht nur für das Unternehmen enorm. Alle Mitarbeitenden profitieren davon, Teil einer angstfreien Organisation zu sein.